Bereits seit längerer Zeit wird in der deutschen innovations- und hochschulpolitischen Debatte die Idee einer neuen Einrichtung zur Stärkung des Wissens- und Erkenntnistransfers aus der Wissenschaft in die Gesellschaft diskutiert. Die Politik erhofft sich hiervon einen Schub für die Umsetzung von Innovationen vor Ort – insbesondere auch hinsichtlich der Geschwindigkeit bei der Anwendung wissenschaftlicher Ideen in der Praxis. In diesem Sinne hat sich die neue Regierungskoalition nun die Schaffung einer „Deutschen Agentur für Transfer und Innovation“ (DATI) in den Koalitionsvertrag geschrieben. Ihre Gründung soll noch dieses Jahr erfolgen, ein entsprechendes Eckpunkte-Papier wurde Ende März 2022 vom BMBF veröffentlicht.

Wie auch andere Konzepte knüpft die DATI, so weit bekannt, stark am Prinzip der regionalen Cluster oder – wie sie auf EU-Ebene in jüngerer Zeit genannt werden – Innovationsökosysteme an. Dieses Konzept stellt insofern, auch mit Blick auf das Modell der regionalen Innovationscluster in Großbritannien, das ausdrücklich als Vorbild für DATI gesehen wird, keinen gänzlich neuen Ansatz der Transferförderung dar. Die Diskussion in Deutschland trifft außerdem auf zahlreiche bereits existierende Fördermaßnahmen im Bereich des Wissens-, Technologie- und Erkenntnistransfers. Es ist daher wichtig, dass im neuen Ansatz der DATI Kohärenz mit ihnen hergestellt wird und vor allen Dingen, dass Synergien für einen möglichst schnellen Aufbau der DATI genutzt werden.

Basierend auf den Erfahrungen, die wir bei der Durchführung verschiedener Evaluationsprojekte zu Transfer- und Clusterprogrammen in ganz Europa und insbesondere zur Initiative „Innovative Hochschule“ (IHS) gesammelt haben, möchten wir aus unserer persönlichen Sicht als Beratende und Forschende im Themenfeld Transfer einige Lehren für die DATI skizzieren. Vor allem möchten wir verdeutlichen, warum eine DATI auf Strukturen aus Innovative Hochschule aufbauen sollte, um den Transfer in Deutschland (und anderswo) effizient und zeitnah zu „boostern“.

Innovative Hochschule – what works

Zunächst: Was sind die Stärken von Innovative Hochschule als einem der – unserer Meinung nach – wichtigsten Förderprogramme im Bereich Transfer zwischen Hochschulen und Gesellschaft der letzten Jahre?

DATI – worauf kann und sollte aufgebaut werden

Womit wir zum wichtigsten Punkt für das Zusammenspiel aus IHS und DATI kommen: den Synergien, die entstehen können, wenn die neue DATI stringent auf Strukturen von IHS aufbaut. Stand heute (Anfang Mai 2022) gibt es – selbst nach Veröffentlichung des Eckpunktepapiers – noch offene Fragen, wie das BMBF die DATI im Detail organisatorisch aufstellen möchte. Sicherlich muss hierzu im weiteren Dialog mit den Stakeholdern aus Universitäten und HAWs noch mehr Klarheit geschaffen werden. Fest steht aber schon jetzt: Ohne Transferstrukturen vor Ort werden regionale Transferaktivitäten nicht funktionieren. Transfer und die gemeinsame Entwicklung von Innovationen, ob technischer oder sozialer Couleur, entstehen nicht „einfach so“. Es braucht Formate, Strukturen, Anreize – und engagierte Menschen, die Akteure zusammenbringen können und regionale Entwicklungsprozesse organisieren, moderieren und begleiten können. Die im Eckpunktepapier genannten Regionalcoaches der DATI sind hier ein sinnvoller Ansatz. Vor allem ihre Vernetzung vor Ort ist jedoch ausschlaggebend, wenn die DATI einen dezidiert regionalen Fokus haben soll.

Fakt ist: Über Innovative Hochschule wurden in den vergangenen knapp fünf Jahren in 29 Einzel- und Verbundvorhaben Strukturen geschaffen, die auf ähnliche Ziele „einzahlen“, wie sie für die DATI diskutiert werden. Die Vorhaben sind dabei über die gesamte Republik verteilt. Hinzu kommen zwölf weitere, große HAWs, die seit 2017 im Rahmen von der BMBF-Maßnahme FH-Impuls ebenfalls „Innovationspartnerschaften“ in ihren Regionen aufgebaut haben und dementsprechend auf mindestens 5 Jahren gewachsene Netzwerke zu regional wichtigen Themen zurückgreifen können. Strukturen und Netzwerke, auf denen DATI-Aktivitäten vor Ort basieren können, gibt es also schon.

Strukturen alleine schaffen jedoch keinen Transfer, es sind die jeweiligen Personen in den Regionen, die hier Fortschritt möglich machen. Aber auch hier hat sich über „Innovative Hochschule“ in den letzten Jahren eine hohe Zahl von Personen mit regionalen Akteuren vernetzt, Projekte angestoßen und vor allem über die kontinuierliche Präsenz in der Region Vertrauen erarbeitet – das Schmiermittel für jegliche Art von Kooperationen, ohne welches die Anbahnung von Projekten oftmals sehr schwer wird.

IHS als Booster für die DATI nutzen

Was bedeutet dies für eine zukünftige DATI? Die Erfahrung mit anderen Agenturlösungen lehrt, dass eine gewisse Zeit ins Land gehen kann, bis konkrete Transferprojekte über sie angebahnt werden. In Deutschland zeigt sich dies bei der Agentur für disruptive Sprunginnovationen (SPRIND), die seit 2019 besteht und in einem langwierigen Prozess etabliert wurde, der im Fall der DATI vermieden werden sollte. Ähnliches kann man auch im Vereinigten Königreich beobachten, wo ARIA, die neue Advanced Research and Invention Agency vor gut einem Jahr angekündigt wurde und für die der designierte Leiter, ehemals Deputy Director der Vorbildagentur DARPA, erst im Mai dieses Jahres seinen Job angetreten hat, ohne bisher bereits erste Projekte anstoßen zu können.

Die Grundidee der DATI ist es, Ideen und Forschungsergebnisse schneller in die Umsetzung zu bringen. Sollten dann Ähnliches nicht auch für die Strukturen der DATI und v.a. die hierdurch angestoßenen Transferprojekte angestrebt werden? Das BMBF sollte sich aus unserer Sicht zunutze machen, dass an 48 Hochschulen bereits Transferstrukturen geschaffen und in ihren regionalen Kontexten getestet wurden, Transfermanager:innen regional vernetzt sind und gemeinsame Projekte zwischen Hochschule und regionalen Akteuren laufen. Sicherlich kann und sollte man Transfer im Rahmen von DATI auch noch weiter denken: In IHS ist zum Beispiel die Gründungsförderung wegen der Abgrenzung zu anderen deutschen Förderprogrammen wie EXIST nicht abgedeckt. Gleiches gilt für den wichtigen Transferkanal der Weiterbildung, z.B. mittels der ebenfalls im Koalitionsvertrag erwähnten „micro-degrees“. Zudem kann der Fokus der DATI auch noch stärker auf eine gemeinsame Trägerschaft der DATI-Projekte von Hochschulen und z.B. regionalen Stiftungen oder kommunalen Akteuren hinauslaufen.

Dennoch: Wir sollten uns nicht der Chance berauben, die oben skizzierten Erkenntnisse aus vier Jahren IHS zu nutzen. Wir sollten aufbauen auf bereits etablierten Strukturen. Und wir sollten die Erfahrungen der (keinesfalls im Überfluss auf dem Arbeitsmarkt vorhandenen) regional vernetzten, erfahrenen Transfermanager:innen nutzen. So kann die DATI schnell „ins Machen“ kommen – und Geschwindigkeit steht dem deutschen Hochschul- und Innovationssystem sicher gut zu Gesicht.

Eine leicht adaptierte Version dieses Artikels ist zuerst auf dem Blog des Wissenschaftsjournalisten Jan-Martin Wiarda erschienen.

What's new?

All articles All news