Interdisziplinäre MINT-Formate in der Hochschule: Was kann Deutschland von anderen Ländern lernen?

Fecha de publicación: 22 noviembre 2024 | Idioma del informe DE

Der Fachkräftemangel in der deutschen Volkswirtschaft ist in aller Munde. Derzeit fehlen nach dem MINT-Frühjahrsreport 2024 insgesamt knapp 250.000 MINT-Fachkräfte. Hinzu kommt, dass besonders in den MINT-Fächern (das heißt Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik; Englisch STEM) die Abbruchquoten an deutschen Hochschulen äußerst hoch sind: 49 Prozent der MINT-Studierenden wechseln ihr Studienfach oder brechen ihr Studium ab.

Auch der Frauenanteil ist meistens gering: Dieser liegt über alle MINT-Fächer hinweg im Durchschnitt bei circa 33 Prozent mit teils großen Unterschieden zwischen den Disziplinen. Um die komplexen Herausforderungen der gesellschaftlichen und technischen Transformation bewältigen zu können, sind zudem Schnittstellenkompetenzen essenziell. Dies sind Fähigkeiten außerhalb des naturwissenschaftlich-technischen Bereichs, die zentral sind, um MINT-Kompetenzen in breiteren thematischen Kontexten nutzbar zu machen.
Zu diesem Zweck engagiert sich der Stifterverband für neue Ansätze in der interdisziplinären MINT-Bildung (MINTplus, Englisch STEAM). Der Stifterverband zielt damit darauf ab, durch die Öffnung von MINT-Fächern mehr Menschen für MINT zu gewinnen und in den MINT-Fächern zu halten. Außerdem sollen so MINT-Absolventinnen und -Absolventen zusätzliche (arbeitsmarkt-)relevante Kompetenzen vermittelt werden. So soll ein Beitrag dazu geleistet werden, die MINT-Fachkräftelücke in Deutschland zu schließen.

Die im November 2024 veröffentlichte Studie wurde von der GEA AG finanziell gefördert. Der Stifterverband hatte Technopolis Deutschland mit der Durchführung beauftragt. Die Studie beschäftigt sich mit den folgenden Leitfragen:

Die Untersuchung ergänzt damit unter anderem eine kürzlich veröffentlichte Explorationsstudie des Stifterverbandes zu neuen Formen der tertiären Bildung um einen spezifischen MINT-Fokus.

Neben einer Literaturauswertung und Analysen von Hochschul-Webseiten wurden für die Studie Interviews mit Personen durchgeführt, die über nationale und internationale anerkannte Expertise im Bereich MINTplus verfügen. Für die Studie wurde primär das europäische Ausland betrachtet. Ansätze in diesen Ländern lassen sich durch die größere Ähnlichkeit der Hochschulsysteme besser auf den deutschen Hochschulraum übertragen. Weitere Länder wie die USA wurden punktuell berücksichtigt.

Fazit der Studie

Die Studienergebnisse zeigen, dass es im Ländervergleich keine eindeutigen MINTplus-Vorreiternationen mit expliziten MINTplus-Strategien gibt. Vielmehr existieren in allen untersuchten Ländern – auch in Deutschland – MINTplus-Ansätze, ohne dass sie systemisch verbreitet sind. Dabei wird MINTplus in der Hochschullehre in vielfältigen Facetten gelebt: von kleineren, niedrigschwelligen Projektarbeiten, die den Horizont der Studierenden praxisnah und lösungsorientiert erweitern sollen, bis hin zu ganzen Studienprogrammen, die den Teilnehmenden neben klassischen MINT-Kompetenzen auch Inhalte, Methoden und Anwendungsgebiete außerhalb der naturwissenschaftlich-technischen Felder vermitteln. Durch die Vielfalt an Ansätzen können deutsche Hochschulen ihren Profilen entsprechend passende Ansätze entwickeln. Systemische Faktoren, die MINTplus-Ansätze hemmen, gibt es wenige – in erster Linie stehen institutionelle und hochschulkulturelle Hürden im Weg. Das heißt, die Hochschulen haben es selbst in der Hand, neue Wege in Studium und Lehre zu erproben.

Aktuelle Trends und Entwicklungen im Hochschulbereich können gezielt auch für die Transformation der Lehre im Sinne von MINTplus aufgegriffen werden und zur ganzheitlichen Profilbildung der Hochschulen beitragen – etwa im Hinblick auf die (regionale) Vernetzung oder eine zunehmend inter- und transdiszip-linär ausgerichtete Forschung und Lehre. Indem sich Hochschulen zunehmend öffnen und flexibel aus-richten, können sie so auch ihre Adaptionsfähigkeit auf neue Umstände und Herausforderungen insgesamt stärken. Das deutsche Hochschulsystem hat die große Chance, sich als internationaler MINTplus-Vorreiter zu positionieren – dafür braucht es klare Strategien und ein erprobtes, verbreitetes, validiertes Maßnahmenspektrum.